Expressionismus
Der Kunststil Expressionismus
Expressionismus
Vom Fauvinismus zum „Blauen Reiter“ – Entwicklung des Expressionismus
1905 wurde die Pariser Kunstwelt von den Bildern junger Maler ebenso geschockt, wie 1874 von der ersten Ausstellung der Impressionisten. Der Fauvinismus (Ein Kritiker bezeichnete diese Maler als „wilde Tiere“) schien sich gegen etablierte Kunstformen aufzulehnen. Noch stärker als Vincent van Gogh (1853–1890) und Paul Gauguin (1848 – 1903) wurde in grellen, bunten Farben gemalt. Häuser erschienen plötzlich in satter, grüner Farbe und Bäume waren flammend rot. Paul Gauguin hatte bereits 1888 an einen Freund geschrieben: „Malen Sie nicht zu viel nach der Natur. Das Kunstwerk ist eine Abstraktion. Ziehen Sie es aus der Natur heraus, indem sie vor ihr nachsinnen und träumen.“
Gauguins Malerei kann als naiv bezeichnet werden; sein Anliegen war es, zum Einfachen, Ursprünglichen zurückzukehren. Diese Malweise wurde ab 1885 zunächst als Symbolismus bezeichnet, der sich vom Impressionismus dadurch abhob, dass man die Grenze des Gegenständlichen und Objektiven, des irdisch Sichtbaren überwand und vermeintlich nur das malte, was man sah, die Wirklichkeit hinter dem irdischen Schein, die Phantasie, das Unbewusste.
Der Symbolismus, als Gegenpart zur kalten und von den Menschen verherrlichten Technik, gilt in der Kunstgeschichte als Vorstufe zum Expressionismus. Eine gemeinsame expressionistische Bewegung in der Kunst, wie es bei den Impressionisten geschah, erfolgte jedoch nicht, denn der später als Expressionismus benannte Kunststil war eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung und Bewegung. In Deutschland formierten sich 1905 junge Architekturstudenten in Dresden zur Künstlergemeinschaft „Die Brücke“ und in München schlossen sich einige Maler 1909 zur „Neuen Künstlervereinigung“ zusammen. Wie in Berlin bei den Secessionisten kam es jedoch zu Meinungsverschiedenheiten über die Auffassung von Kunst. Der Russe Wassily Kandinsky (1866 – 1944) und Franz Marc (1880 – 1916) gründeten daraufhin „Der blaue Reiter“ und organisierten unter diesem Namen Ausstellungen.
Epoche des Expressionismus
Eine Bewegung in der Literatur, Malerei und Musik, die sich von etwa 1910 bis 1925 erstreckte und von Deutschland ausging, wurde mit dem Begriff Expressionismus bezeichnet; aber nur wenige bezeichneten sich damals selbst so. Vorläufer dieser Richtung waren neben van Gogh und Gauguin der Norweger Edvard Munch (1863 – 1949), dessen Gemälde „Der Schrei" (1893) von der etablierten Kunstwelt abgelehnt wurde, aber hohe Symbolkraft besaß und die Fähigkeit, den Menschen emotional zu erschüttern. Ein Anliegen der Expressionisten war es, gleich Freud´scher Psychologie, das Innerste im Menschen anzusprechen, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Mit dem Tod von Franz Marc und August Macke, zweien der treibenden Kräfte in der Malerei, kam der Expressionismus um 1920 zum Erliegen.
Malweise und Aussage des Expressionismus
„Die Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar“ so formulierte es Paul Klee (1879 – 1940), einer der bedeutendsten Vertreter moderner Malerei. Starke Farbigkeit, Abstraktion, Vereinfachung und scheinbare Verzerrung der Perspektive kennzeichnet den Stil der Expressionisten, denen es, dem Worte nach, um Ausdruck ging. Er befreite völlig von den engen Form- und Farbzwängen der vorangegangenen gegenständlichen Malerei vergangener Jahrhunderte und wurde später von den Nationalsozialisten als „entartet“ betrachtet.
Bis heute sind die künstlerischen Aussagen der Expressionisten eine Spielwiese von Interpretationen. Dabei erschienen mit der Malerei gleichzeitig Programmschriften, Almanache und Magazine, in denen die Künstler ihre Absichten schriftlich festhielten: Der Maler Franz Marc, der sich eingehend mit Philosophie – und hier wurde er im Besonderen von Nietzsche beeindruckt -, Literatur und Theologie beschäftigte sah in der Kunst eine „geistige Verpflichtung“. Völlig unberührt von den Irrungen und Rationalismen der Zivilisation war es sein Bestreben, durch die „Animalisierung“ seiner Bilder eine echte, unverfälschte Kunst hervorzubringen, wie es in ihrer Ursprünglichkeit die Naturvölker schufen. Berühmt sind seine Tierbilder, zu denen er schrieb: „Ich sehe kein glücklicheres Mittel zur ‚Animalisierung’ der Kunst, wie ich es nennen möchte, als das Tierbild ( ) Das Kreisen des Blutes in den beiden Pferdekörpern, ausgedrückt durch die mannigfaltigen Parallelismen und Schwingungen in den Linien. Der Beschauer sollte gar nicht nach dem ‚Pferdetyp’ fragen können, sondern das innerlich zitternde Tierleben herausfühlen.“
Weltdurchschauung statt Weltanschauung
Wesentlich stärker noch und greller als die Impressionisten stellten die expressionistischen Künstler in plakativer Weise das Lebendige dar: Die Kunsthistorikern Dr. Barbara Renftle schreibt: „In den Vordergrund bildkünstlerischen Gestaltens treten Farb-Flächen-Rhythmus und ein verändertes Verständnis für Raum und Raumdurchdringung. Die Aufteilung der Flächen und linearen Brechungen und Vernetzungen sowie der Klang der Farben lösen geistige Stimmungen aus, die mit der materiellen Sicht und dem rational konstruierten diesseitigen Perspektivraum des Renaissancemenschen nichts mehr zu tun haben. An die Stelle der Zentralperspektive, die seit der Renaissance die Weltsicht der Menschen bestimmte, setzten Künstler wie Franz Marc nun den Versuch, die Welt in ihren Kraftfeldern sich darstellen zu lassen, also ihre Ahnung von der „wahren Form“ hinter dem bloßen Schein der irdischen Materie anschaulich zu machen. „( ) „Der Auflösung der herkömmlichen, gegenstandsbezogenen Sichtweise und der damit einhergehenden Entmaterialisierung im Bild entsprechen die in dieser Zeit revolutionären Entdeckungen der Physik, zum Beispiel die der Strahlungen und anderer physikalischer Gesetzmäßigkeiten“. Kandinsky und Marc gingen sogar so weit, dass sie sagten „Die kommende Zeit, die Epoche des Geistes, wird ihre ethischen und künstlerischen Formen aus den Gesetzen des exakten Wissens“, also der Naturgesetze, „schöpfen.“
Berühmte Vertreter des Expressionimus
Neben Franz Marc, Wassily Kandinsky und August Macke waren es vor allem Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmitt-Rotluff, Erich Heckel, Fritz Bleyl, Max Pechstein, Emil Nolde, Oskar Kokoschka, Paula Modersohn-Becker, Ludwig Meidner, Paul Klee, Henri Matisse und André Derain, die dem Expressionismus ein künstlerisches Gesicht gaben.
Der Expressionismus heute
Die meisten Gemälde der deutschen Expressionisten befinden sich im Norton Simon Museum in Pasadena/Kalifornien, im New Yorker Guggenheim Museum, sowie in verschiedenen Sammlungen und Museen der ganzen Welt. Sie sind auf dem Kunstmarkt sehr begehrt und haben sich zu einem beträchtlichen Wirtschaftsfaktor entwickelt. Bereits in den 1960er Jahren erlebte der Expressionismus eine Renaissance, die Bilder von Kandinsky und Marc wurden als Poster millionenfach vermarktet; dies lag wohl an der psychedelischen Ära der 60er Jahre. Auch die großflächigen und farbintensiven Blumenbilder von Emil Nolde erfreuen sich immer noch großer Beliebtheit; ihm wurde ein eigenes Museum gewidmet.
Die Neuen Wilden – „neuer Expressionismus“
Anfang der 1980er Jahre entwickelte sich ein Malstil, der oftmals als „Neuer Expressionismus“ bezeichnet wurde, aber trotz grober Pinselführung und großer Farbintensität nicht die Aussagekraft der ursprünglich expressionistischen Malerei beinhaltet.
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